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Sporttherapie bei krebskranken Kindern und Jugendlichen: Effekte und Nebenwirkungen
Die Überlebensraten bei krebskranken Kindern und Jugendlichen sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Verschiedene groß angelegte Studien erforschen nun mögliche Therapieansätze, die nicht nur die Überlebensrate in den Fokus nehmen, sondern die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der jungen PatientInnen verbessern sollen. So sind Kinder und Jugendliche, die sich aufgrund ihrer Erkrankung einer Krebsbehandlung unterziehen müssen, beispielsweise in ihrem Bewegungsverhalten erheblich eingeschränkt. In der Folge ist die Muskelfunktion häufig reduziert, wobei die Muskelfunktion der unteren Gliedmaßen stärker von einem Leistungsverlust betroffen zu sein scheint als die der oberen.
Zur Förderung der Leistungsfähigkeit der jungen Patientinnen und Patienten bedarf es also angepasster Trainingsprogramme. Für KrebspatientInnen im Kindes- und Jugendalter müssen diese Programme so entwickelt werden, dass sie an die Bedürfnisse der PatientInnen hinsichtlich ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung, der spezifischen Eigenschaften von Krebs im Kindesalter und ihres sozialen Umfelds angepasst sind (z.B. Baumann et al., 2013; Braam et al., 2016).
In zwei aktuellen Studien wird daher der Effekt von Bewegungsprogrammen in der pädiatrischen Onkologie untersucht. In der MUCKI-Studie der Universitätskliniken Mainz und Köln sowie der Sporthochschule Köln wird ein spezifisches und individuelles kombiniertes Kraft- und Ausdauertrainingsprogramm für KrebspatientInnen im Kindes- und Jugendalter entwickelt und überprüft (Stössel et al., 2020).
Eine weitere Studie, unter anderem von Forschenden der Universitätsklinik Essen, untersucht mögliche Nebenwirkungen solcher Bewegungsinterventionen (Gauß et al., 2021).
Die MUCKI-Studie
In Anbetracht der oben beschriebenen Beeinträchtigungen der Muskelfunktion, insbesondere in den unteren Gliedmaßen bei pädiatrischen KrebspatientInnen, sollte in der MUCKI-Studie primär untersucht werden, ob das entwickelte Trainingsprogramm die Beinmuskelkraft und andere physische und psychische Parameter bei KrebspatientInnen im Kindes- und Jugendalter während einer intensiven Krebsbehandlung verbessern kann. Das Programm wurde im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie untersucht: Die krebskranken StudienteilnehmerInnen wurden demnach zufällig in eine Trainingsgruppe oder eine Kontrollgruppe geteilt.
Die PatientInnen der Übungsgruppe nahmen während der Krebsbehandlung 6-8 Wochen lang zusätzlich an einem überwachten Bewegungstraining teil. Das Training fand in den stationären und ambulanten Kliniken sowie während der ambulanten Aufenthalte bei den PatientInnen zu Hause statt. Die meisten der Trainingseinheiten wurden von einem Sportwissenschaftler oder einer Sportwissenschaftlerin überwacht. Gelegentlich, z. B. an den Wochenenden, trainierten die PatientInnen und ihre Eltern nach den Übungsempfehlungen des/der Sportwissenschaftler/in auf eigene Faust. Die PatientInnen der Kontrollgruppe hingegen erhielten die übliche Behandlung ohne betreute Übungseinheiten.
Die Ergebnisse der MUCKI-Studie zeigen, dass ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining, das an die spezifischen Anforderungen der pädiatrischen Onkologie angepasst ist, während einer intensiven Krebstherapie vielfältige positive Effekte aufweist.
Die vorliegenden Ergebnisse (die Studie und entsprechenden Studienergebnisse finden Sie hier) zeigten positive Auswirkungen des Trainings auf die Beinmuskelkraft, nicht aber auf die Armmuskelkraft. Dies lässt sich jedoch dadurch erklären, dass das während der MUCKI-Studie durchgeführte Krafttraining vor allem auf die Stärkung der Beinmuskulatur ausgerichtet war. Darüber hinaus haben PatientInnen der Bewegungstrainingsgruppe im Vergleich zu der Kontrollgruppe ihre Gehleistung verbesserten, was zudem mit einer geringeren Fatigue (Erschöpfung) und einer verbesserten Lebensqualität einherging.
Während der insgesamt 381 Übungs- und Testsitzungen der MUCKI Studie traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse bzw. Nebenwirkungen auf. Während der Gehübungen in den Test- und Trainingseinheiten stürzten drei PatientInnen, ohne sich jedoch zu verletzen. Außerdem trat dreimal nach den Testsitzungen und viermal nach dem Training ein leichter bis mittlerer Muskelkater auf.
Nebenwirkungen von Bewegung in der pädiatrischen Onkologie?
In der retrospektiven Studie der Forschergruppe um Gauß und KollegInnen (2021) wurden alle Nebenwirkungen oder unerwünschte Ereignisse erfasst, die während supervisierter onkologischer Bewegungsprogramme auftraten. Im Rahmen einer nationalen Online-Umfrage durch das interdisziplinäre Netzwerk ActiveOncoKids (NAOK) wurden die verantwortlichen ProgrammkoordinatorInnen der Bewegungstherapie in pädiatrisch-onkologischen Programmen in Deutschland im Juni 2020 per E-Mail kontaktiert und um die Teilnahme an der Umfrage gebeten. Im Falle einer Nichtteilnahme wurde ein erstes und zweites Erinnerungsschreiben an alle Kontakte nach jeweils 2 Wochen verschickt. Insgesamt nahmen 24 ProgrammkoordinatorInnen von 26 möglichen teil.
Die befragten KoordinatorInnen stammten aus Rehabilitationskliniken, Activity Camps, Akut-Krebskliniken und Universitäten.
Insgesamt traten bei 35.110 Trainingseinheiten sechs Fälle mit unerwünschten Ereignissen auf, die mit Folgen für den/die Patient/in verbunden waren (0,02 %, also eine Inzidenz von 17 pro 100.000). Die beiden am schwerwiegendsten bewerteten Ereignisse waren Knochenbrüche und führten zu Einschränkungen bei der Selbstversorgung der PatientInnen. Bei den analysierten 35.110 Trainingseinheiten traten keine lebensbedrohlichen Folgen oder Todesfälle auf.
Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie eine sichere Zusatztherapie darstellt, die positive Effekte auf die Muskelkraft, die Gehleistung und Lebensqualität aufweist, sowie Erschöpfungssymptome abmildern kann. Dabei ist ein auf die PatientInnen abgestimmtes Training auch während der onkologischen Behandlung sicher durchführbar!
Weitere Informationen zum Thema „Bewegung und Krebs“ finden Sie auch bei dem Ärtzteportal esanum. Die Redaktion hat auf dem SMHS 2023 unter anderem Prof. Dr. Joachim Wiskemann befragt: Zum Video
Weitere Highlights vom Sports, Medicine and Health Summit 2023 finden Sie in der Kongressberichterstattung von esanum.
Der Artikel wurde geschrieben von Laura L. Bischoff.
Literatur
Baumann, F.T., Bloch, W. & Beulertz, J. (2013). Clinical exercise interventions in pediatric oncology: a systematic review. Pediatr Res. 74:366–74. doi: 10.1038/pr.2013.123
Braam, K., van der Torre, P., Takken, T., Veening, M., van Dulmen-den Broeder, E., & Kaspers, G. (2016) Physical exercise training interventions for children and young adults during and after treatment for childhood cancer. Cochr Database Syst Rev. 3:CD008796. doi: 10.1002/14651858.CD008796.pub3